Frau Davies, der Projektname spielt mit dem Begriff „Identity“. Ist das der Kerngedanke von Iden-City?
Auf jeden Fall spielt er eine zentrale Rolle. Es ist für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit ausländischer Herkunft, mit anderem kulturellen Hintergrund oder gar mit Flucht-Erfahrung besonders schwierig, ihre Identität zu finden. Identität hat ja sehr viel mit sozialen Beziehungen und dem Wahrnehmen der eigenen Wurzeln zu tun. Und dies ist für junge Menschen mit ausländischer Herkunft verständlicherweise häufig nicht ganz leicht. Es gibt Barrieren unterschiedlichster Art. Mit unserem Projekt versuchen wir, diese abzubauen, Identität zu stärken und interkulturelle Erfahrungen zu ermöglichen.
Der erste wesentliche Schritt ist ja, dass die Jugendlichen überhaupt an Ihrem Projekt teilnehmen. Ist das die erste Barriere, die sie angehen mussten?
Was die Akzeptanz angeht, haben wir viel gelernt. Gestartet ist das Projekt als ein zentrales und komplett neues Vorhaben. Das war aber nicht niederschwellig genug. Seitdem wir stattdessen viele kleinere Angebote dort anbieten, wo sich die Jugendlichen ohnehin aufhalten, z.B. in Kinder- und Jugendhäusern oder Familienzentren, bekommen wir großen Zulauf – und manche Gruppen wie das Graffiti-Projekt wachsen weiter. Insgesamt nahmen bisher über 70 junge Menschen, angeleitet durch sieben Künstler, teil. Via Mundpropaganda tragen die Jugendlichen weiter, dass es hier attraktive Angebote gibt.
Attraktiv heißt in diesem Fall vor allem kreativ, oder?
Attraktiv bedeutet: Es gibt einen Raum, in dem sie in einer entspannten Atmosphäre mit anderen Gleichaltrigen zusammen sein und sich kreativ auf unterschiedlichste Art und Weise ausdrücken können. Sie werden akzeptiert wie sie sind, lernen neue kreative Techniken und kommen mit anderen jungen Menschen verschiedenster Herkunft in Kontakt. Fast automatisch geschieht ein interkultureller Austausch, der zu besserem gegenseitigem Verständnis führt. Es finden Begegnungen auf menschlicher Ebene statt.
Auch Vielfalt zeichnet Iden-City auf verschiedenen Ebenen besonders aus. Sowohl was die Teilnehmenden angeht als auch bezüglich der Angebote. Die Palette reicht von Workshops für Maskenbau, Graffiti und Clowns bis zu Tanz, Film und Podcast. Kürzlich sind sogar Musikinstrumente entstanden, traditionelle brasilianische Berimbaus. Und ein Teil unseres Projektes hat sogar eine „Auftragsarbeit“ erhalten: Im Rahmen unseres Graffiti-Workshops entstehen Entwürfe für die Gestaltung des Büros der Sächsischen Staatsministerin für Kultur & Tourismus, Barbara Klepsch. Die Leinwände stehen für die Umsetzung nach den Ferien bereit.
Die vielen kreativen Ergebnisse sind für die Jugendlichen sicher auch echte Erfolgserlebnisse. Wie messen Sie persönlich den Erfolg?
Zum Projekt selbst gehört natürlich die professionelle Auswertung. Wir als Team haben uns kürzlich sehr gefreut, als wir nach dem Besuch aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein sehr gutes Feedback bekommen haben. Für mich persönlich ist es immer schön zu sehen, wie die Kinder und Jugendlichen in den Projekten im doppelten Sinne „ankommen“ – wie Sie bei uns eintreffen, teilweise eher schüchtern und zurückhaltend, und wie sie nach und nach Teil einer Gruppe werden, in der sie sich mutig und offen ausdrücken können, gegenseitig unterstützen und Wertschätzung erfahren.
UN-Generalsekretär António Guterres hat in seiner Botschaft zum Internationalen Tag der Jugend die Bedeutung von Verbündeten herausgestellt, die Jugendliche brauchen, damit sie einbezogen, beteiligt und verstanden werden. Sehen Sie und Ihre Kolleg*innen von Iden-City sich auch in dieser Rolle?
Was Guterres anspricht ist sehr wichtig. Ich würde sogar einen Bezug zum diesjährigen Schwerpunkt des Internationalen Jugendtages herstellen. Im Mittelpunkt steht dieses Jahr das Thema Ernährung. Wenn wir, als Verbündete der Jugendlichen, sie unterstützen, sich zu verbinden und kreativ auszudrücken, in einem entspannten Raum, dann ist das Nahrung für die Seele und eine wunderbare Erfahrung als Grundlage für ein friedvolles Miteinander jetzt und in der Zukunft.