Die Pandemie hat der Digitalisierung einen bisher nie dagewesenen Schub versetzt. Für die Berufliche Rehabilitation wirkt sich dies v.a. in zwei Bereichen aus: Es verändern sich die Anforderungen der Arbeitswelt, die zunehmend digitales Know-how verlangt, gleichzeitig erweitern sich die Möglichkeiten und Prozesse der beruflichen Rehabilitation selbst.
Individuelle Bedürfnisse und Ziele an erster Stelle
„Es ist unheimlich viel passiert, einen solchen Digitalisierungsschub hätte es ohne die Pandemie nicht gegeben,“ sagt Björn Hagen, Fachbereichsleiter Reha der FAW.
Bestehende digitale Möglichkeiten wurden schneller weiterentwickelt und neue kamen hinzu. Jetzt komme es darauf an, sie richtig anzuwenden. Für ihn bedeutet die Pandemie vor allem eine „Übung in Flexibilität“, eine gute Gelegenheit, gewohnte Prozesse zu hinterfragen und zu verbessern. So ermöglicht die durch die digitale Kommunikation gewonnene zeitliche und räumliche Flexibilität, auch auf individuelle Bedürfnisse der Rehabilitand*innen und betriebliche Anforderungen besser einzugehen.
Xenia Rechner, stellv. Leiterin des Fachbereichs Rehabilitation der FAW, erinnerte in ihrem Impuls-Vortrag „Kompetenzen für eine hybride Welt“ daran, dass Digitalisierung „weder Selbstzweck noch per se ein Fortschritt“ sei, gute Bildung und Förderung müsse immer zuerst am individuellen Ziel ausgerichtet die Inhalte der Förderung definieren – und erst dann die Methoden und den Medieneinsatz. Was dies in der Praxis bedeutet, erläuterte sie am Beispiel des digitalen Jobcoachings. Kernaufgabe und mitunter Gratwanderung hierbei: das stimmige Ausloten von Umfang und Intensität der Unterstützung.
Vor allem werde es darauf ankommen, digitale und analoge Elemente gemeinsam neu auszutarieren, so Catharina Raubal, Leiterin Produktmanagement Rehabilitation der bfz. Sie warf in ihrem Impulsvortrag „Wie gelingt künftig Digitalisierung in der beruflichen Reha?“ einen Blick in die Zukunft. „Die persönliche Entwicklung, die individuelle Begleitung bei besonderen Problemlagen, die sich aus Behinderung und Beeinträchtigung ergeben, dürfen nicht vernachlässigt werden,“ so Catharina Raubal. Dazu zähle auch die stärkere Entwicklung von passenderen digitalen Werkzeugen für Menschen mit kognitiven, geistigen Einschränkungen, z. B. die Nutzung von sprachgesteuerten Systemen.
Schritt für Schritt: Online-Tools unterstützen
Über eine solche Entwicklung konnte Xenia Rechner berichten. Die von der Ostfalia Hochschule in Zusammenarbeit mit dem TagesTrainingsZentrum Kamen der FAW entwickelte Reha Goal App ermöglicht Menschen mit kognitiven Defiziten, schrittweise komplexe Tätigkeiten auszuführen und gleichzeitig zu trainieren.
Chancen und Herausforderungen der mit der Pandemie einhergehenden verstärkten Distanzangebote aus der Praxis der ambulanten beruflichen Rehabilitation für Menschen mit Sinnes- und Menschen mit Lernbehinderung verdeutlichte der Vortrag von Vera Trocha von der FAW Bielefeld.
Den Teilnehmenden des dortigen Integrationsprojekts für gehörlose Menschen kam die Umstellung auf Online-Tools entgegen, weil ihre Community bereits vor der Pandemie über Online-Tools kommunizierte. In der Unterstützten Beschäftigung (UB) bedeutete die Umstellung auf virtuelle Kommunikation eine Herausforderung: „Um den Anschluss zu den Teilnehmenden nicht zu verlieren, war täglicher Kontakt nötig. Niedrigschwellige Distanzformate, z.B. per Smartphone, haben es ermöglicht.“
Als „wertvolles Austauschforum“ sieht Björn Hagen die BMAS-Veranstaltung in der Rückschau. Es sei gut und wichtig, miteinander dazu im Kontakt zu bleiben. „Als Vertreter der ambulanten beruflichen Reha waren wir schon vor der Pandemie in Sachen Digitalisierung gut aufgestellt“, so Catharina Raubal. „Auch in Zukunft bleibt das Thema extrem wichtig und es liegt eine spannende Zeit vor uns. Wir freuen uns, sie mitgestalten zu können.“