Das Projekt „Station mit Ziel“ der FAW Dessau bietet seit Februar 2019 eine Anlaufstelle für Jugendliche in schwierigen Lebenslagen. Neben lebenspraktischen Übungen ermöglicht der Treffpunkt auch die kurzzeitige Wohnraumunterbringung und somit räumliche Sicherheit für die jungen Menschen. Alex, ein Teilnehmer, berichtet, wie sein Leben durch die konkreten Hilfsangebote des Projektes wieder Sinn und Struktur bekam.
„Ich bin 24 Jahre alt. Jung und verliebt brach ich meine Ausbildung ab und zog sehr spontan von Köln nach Dessau. Dort wendete sich direkt das Blatt. Nun ich war noch immer jung – jedoch getrennt, direkt wohnungslos und zusätzlich ohne einen Cent in der Tasche. 'Merry Christmas, Alex'. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass sich unter mir ein riesiges Loch aufgetan hat. 'Alkohol ist keine Lösung, kein Alkohol aber auch nicht'.
Jeden Tag stand ich also auf und fragte mich, was das alles eigentlich soll. Ich meine, dieses morgens Aufstehen und im Grunde schon gar keine Lust mehr auf den Tag zu haben, macht es schwer den Absprung zu schaffen. Ich wollte nicht mehr, aber so weitermachen wollte ich auch nicht.
So führte mich mein Weg am 30. Dezember 2019 zu 'Station mit Ziel'. Ich halte ja nicht viel von Redewendungen, aber: 'Neues Jahr, neues Glück'.
14 Tage später hatte ich erst mal wieder ein eigenes Bett und eigene vier Wände – dank des Projektes, das für "Fälle" wie mich Wohnungen bereithalten. Mit meiner Persönlichkeit bin ich sicherlich sehr individuell – mit meinen Problemen jedoch kein Einzelfall.
So schaffte ich es widerwillig, weil natürlich doch pflichtbewusst, mich täglich aus dem Bett zu quälen und mein ganzes inneres Chaos von der Wohnraumunterbringung bis zur Anlaufstelle zu schleppen. Das fand ich ziemlich erschöpfend und ruhte am Frühstückstisch gelegentlich meine Augen aus.
So langsam kam ich ins Tun. Damit sich mein Portmonee mal wieder füllt, brauchte ich Leistungen vom Jobcenter. Habt ihr schon einmal einen Antrag für ALG II gestellt? Absolut furchtbar, kann ich nur sagen. Ich musste mir eingestehen, dass man nicht alles ohne Hilfe schaffen kann. Aber mein neuer Vorsatz lautete 'Durchbeißen & Dranbleiben' und zack ... war der Antrag auf Leistungen bewilligt und endlich wieder Geld auf meinem Konto. Es wäre schön, wenn ich jetzt weiter von meinen Fortschritten schwärmen könnte, aber zwischendurch kommt immer mal wieder etwas, was sich 'Leben' nennt dazwischen.
Und so holten mich Gefühle und Gedanken vom Verlassen- und Alleinsein wieder ein. Aber ich wollte jetzt nicht kehrtmachen, weil ich meine Chance auf eine nachhaltige Veränderung spürte. Diese Gedanken führten mich wieder zur Anlaufstelle und ich beschloss nach jeder Hand zu greifen, die mir dort gereicht wurde. Ich musste einfach nur zugreifen und zack … Wohnungssuche, Wohnungsfindung, Mietvertrag unterschrieben, Einzug und erstmal wieder durchatmen. Aus meinem Loch, in das ich zwischenzeitlich wieder gefallen war, wurde ich mit vereinten Kräften wieder herausgezogen.
Die Sackgasse, aus der ich nicht mehr rauszukommen dachte, stand plötzlich himmelweit offen. Nun blieb noch ein zukunftsorientierter Wunsch übrig: die Ausbildung zum examinierten Altenpfleger.
Und tatsächlich – kaum hatte ich meine Bewerbung für ein Praktikum abgegeben, wurde mir ein vielversprechendes Angebot gemacht: eine bezahlte Helfertätigkeit in der Altenpflege mit anschließender Ausbildung. Genau dieser Baustein hatte gefehlt.
Heute, ein halbes Jahr später, bin ich 25, immer noch jung, stolzer Mieter einer schönen Wohnung, finanziell unabhängig, selbstbewusster und bald in der Ausbildung meines beruflichen Wunsches.
Am Ende waren es nicht nur lockere Tage, sondern ein ganzes Stück harte Arbeit. Ich blicke wieder positiv nach vorne und habe mir schon neue Ziele gesetzt. Der größte Erfolg zeigt sich aber jeden Morgen aufs Neue im vermeintlich Kleinen. Unbeschreiblich, wie sich dieser Wandel anfühlt.“