Der 11. September ist der Tag der Wohnungslosen – ein bundesweiter Aktionstag, der jährlich an die Not der Wohnungslosen und unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen erinnert.
Wohnungslosigkeit bedeutet, keinen eigenen geschützten Wohnraum zu haben. Das Statistische Bundesamt zählte Ende Januar 2023 rund 372.000 untergebrachte Wohnungslose, die vorübergehend z.B. in Not- und Gemeinschaftsunterkünften sowie im „Betreuten Wohnen“ der Wohnungslosenhilfe freier Träger leben. Dazu zählen auch zahlreiche Flüchtlinge. Wie viele Personen darüber hinaus „auf der Straße“, in Zelten, Autos etc. oder zeitweilig bei Bekannten leben, ist unbekannt. Auch diejenigen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, erfasst die Statistik nicht.
Trotzdem zeigt die Statistik eines: In Deutschland haben viel zu viele Menschen keinen eigenen Wohnraum und leben dadurch in sehr unsicheren Verhältnissen.
Unterstützung für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen
Seit November 2022 setzen wir in der FAW Akademie Dessau das Projekt „Safe the Place“ in Kooperation mit der Stadt Dessau-Roßlau um. Es richtet sich an Menschen, die aus verschiedensten Gründen von Wohnungslosigkeit bedroht oder bereits wohnungslos sind.
Die Ausgangssituationen der Betroffenen sind sehr unterschiedlich. Daher stehen für uns immer die individuellen Probleme jedes Einzelnen im Fokus. Jeder Mensch wird dort abgeholt, wo er gerade steht. Wir unterstützen Betroffene dabei, ihre Lebensverhältnisse nachhaltig zu verbessern und der Wohnungslosigkeit zu entkommen. Bei Bedarf bieten wir auch eine Nachbetreuung an, damit die Betroffenen lernen, langfristig selbstständig zu wohnen.
Vielfältige Schicksale und Herausforderungen
Bislang unterstützte „Safe the Place“ über 40 Personen, die den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt gewollt und gewagt haben. Die Mehrzahl unserer Teilnehmenden konnten wir mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen zum gewünschten Ziel begleiten. Sie haben einen neuen, lebenswerten Wohnraum gefunden.
Dabei führt bei vielen Teilnehmenden der Weg zum Ziel über Umwege. Manche brauchen im schweren Prozess der Lebensumstellung eine Pause und ziehen sich zeitweise zurück. Andere haben Hemmnisse wie aufgelaufene Geldschulden, die den Einzug in eine neue Wohnung massiv erschweren und oft auch der Hauptgrund für drohende Wohnungslosigkeit sind. Gemeinsam mit den Betroffenen gehen wir diese Herausforderungen an und suchen gemeinsam mit ihnen und unseren Partnern nach Lösungen. Institutionen wie das ansässige Jobcenter arbeiten fest mit uns zusammen und unterstützen unsere Arbeit beispielsweise mit Darlehen für Kautionen und der Sofortüberweisung der Mieten an die jeweiligen Vermieter*innen.
Leider ist unsere Arbeit nicht immer von Erfolg gekrönt. Einigen wenigen Fällen konnten wir bislang (noch) nicht helfen, da sie ihr persönlicher Weg (noch) nicht zu unserem Angebot führt. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft ändert und wir noch mehr Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen unterstützen und in sicheren Wohnraum begleiten können.
„Safe the Place“ ist eine Maßnahme mit und für die Zukunft! Denn für die Zukunft muss das Ziel sein, Menschen, die ohne Schutz auf der Straße leben, aus der Gefahrenzone zu befreien und ihnen Selbstvertrauen und Kraft für ein selbstbestimmtes, lebenswertes Leben zu geben.
In Gedenken an Hans-Joachim Sbrzesny
Wie gefährlich das Leben ohne eigenen Wohnraum sein kann, bewies nicht zuletzt der Fall von Hans-Joachim Sbrzesny in Dessau-Roßlau. Der Wohnungslose wurde in der Nacht zum 1. August 2008 von zwei vorbestraften Neonazis im Park vor dem Dessauer Hauptbahnhof getötet.
Auf Anregung der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg in Kooperation mit der Stadt Dessau-Roßlau und dem Alternativen Jugendzentrum Dessau e.V. wurde am 1. August 2023 am Ort des Verbrechens ein Gedenkstein eingeweiht. Wir waren bei der Einweihung als Gesprächspartner vor Ort, um Unterstützung aus der (drohenden) Wohnungslosigkeit anzubieten. Denn Wohnungslosigkeit heißt oft auch Schutzlosigkeit und wir wollen Betroffenen helfen, dem zu entkommen – damit sich ein Fall wie der von Hans-Joachim Sbrzesny nicht wiederholt.
Zum heutigen 11. September laden wir alle ein, die Vorurteile, die mit Wohnungslosigkeit verbunden sind, auszublenden und einen Schritt auf Betroffene zuzugehen. Sprechen Sie eine*n Betroffene*n an, spenden Sie vielleicht etwas oder nennen Sie „Safe the Place“ als mögliche Unterstützung.
Wir sagen der Wohnungslosigkeit weiterhin den Kampf an und freuen uns, wenn wir weitere Betroffene auf dem Weg in eine bessere, sicherere Zukunft unterstützen können!
Das Projekt „Safe the Place“ wird im Rahmen des Programms „EhAP Plus – Eingliederung hilft gegen Ausgrenzung der am stärksten benachteiligten Personen“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert.
Weitere Informationen zu „Safe the Place“ finden Sie auf der Projektseite.