Stefanie Otto kam 2015 in die Maßnahme BOJE (Berufliche Orientierung und Qualifizierung Jugendlicher und junger Erwachsener) mit dem Ziel, die Berufsreife mit Leistungsfeststellung (Hauptschulabschluss) in Schwerin zu erwerben. Die Teilnehmer*innen werden auf die Externenprüfung vorbereitet und in den prüfungsrelevanten Fächern beschult. Parallel wird auch an der beruflichen Orientierung gearbeitet, um im Anschluss möglichst eine Ausbildung zu beginnen. Jeweils mit einer 1 vor dem Komma schloss sie zielstrebig Mittlere Reife und Abitur ab und absolviert gerade ihr Informatik-Studium in Düsseldorf.
Frau Otto war eine Teilnehmerin, welche von Anfang an sehr gute Leistungen zeigte. Sie war eine der besten Schülerinnen. Leider war sie gesundheitlich nicht sehr stabil und musste die Maßnahme nach sechs Monaten abbrechen. Ein Jahr später kam sie wieder zur FAW und bat die Mitarbeitenden, sie bei der Anmeldung zur externen Prüfung zu unterstützen.
Frau Otto nahm an den schriftlichen Vorprüfungen und auch an den Konsultationen zu den mündlichen Prüfungen teil. Den Hauptschulabschluss hat sie mit einem Notendurchschnitt von 1,0 erworben. Danach haben wir sie etwas aus den Augen verloren. Jetzt hat sie sich wieder gemeldet und uns ihren weiteren Lebensweg geschildert.
Frau Otto, wie sind Sie 2015 zur FAW gekommen?
Als ich ungefähr 14 Jahre alt war, hatte ich große Schwierigkeiten mich in der Schule zurechtzufinden. Nach der 7. Klasse habe ich die Schule dann komplett abgebrochen und konnte mir zu dem Zeitpunkt auch nicht vorstellen, jemals dorthin zurückzukehren. Danach wusste ich eine Zeit lang nicht, wie es weitergehen soll. Ich hatte zwar den Wunsch die Mittlere Reife irgendwie zu erreichen, aber wusste nicht wo ich ansetzen sollte, da ich von der normalen Schule einfach zu abgeschreckt war.
Eine Sachbearbeiterin der Agentur für Arbeit schlug mir dann vor, den Kurs der FAW zu besuchen, um dort zunächst einmal die Berufsreife zu erwerben.
Wie haben Sie die Zeit bei der FAW erlebt?
Zuerst hat es mich viel Überwindung gekostet, überhaupt hinzugehen, da ich eben seit fünf Jahren nicht in der Schule gewesen war. Doch ich bemerkte schnell, dass die FAW nicht mit einer regulären Schule gleichzusetzen ist. Durch die geringere Klassenstärke, kann besser auf die Schüler eingegangen werden. Und auch im Allgemeinen waren die Lehrer sehr motiviert und unterstützend.
Außerdem lag der Fokus der FAW nicht nur auf der Wissens- und Kompetenzvermittlung für den Erwerb der Berufsreife. Es ging auch darum, den weiteren Weg zu planen. Als ich mein Interesse an Informatik äußerte, wurde ich auch darin gefördert.
Doch für mich persönlich war es am wichtigsten, dass mir auch bei persönlichen Problemen vom Team der FAW geholfen wurde. Ich wurde ich nicht allein gelassen, als ich aufgrund von Zweifeln und Ängsten fast alles hingeworfen hätte. Als ich dann die Berufsreife in der Tasche hatte, fühlte ich mich, als ob ich wieder zurück im Leben bin.
Was haben Sie danach gemacht?
Mein nächstes Ziel war die Mittlere Reife und dafür habe ich abends einen Kurs an der Volkshochschule Schwerin besucht. Während meiner Zeit dort, erfuhr ich, dass der Besuch eines Fachgymnasiums von der Agentur für Arbeit finanziell unterstützt wird. Nachdem ich die Mittlere Reife erreicht hatte (*Abschluss mit 1,0 und mit Auszeichnung), habe ich mich also beim Regionalen Beruflichen Bildungszentrum Schwerin (damals BS-Technik Schwerin) beworben, um dort mein Abitur mit dem Schwerpunkt Datenverarbeitungstechnik zu erwerben. Nach 3 Jahren hatte ich nicht nur mein Abi (*Abschluss 1,2 als Jahrgangsbeste), sondern auch abschließend meine Angst vor der Schule überwunden. Ich hatte nun final das Gefühl in die Welt heraustreten zu können und entschied mich Schwerin zu verlassen. Seit letzten Jahr lebe ich nun in Düsseldorf und absolviere ein Informatik Studium (*mit Leistungsstipendium) an der Heinrich-Heine-Universität.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Mein Hauptziel ist natürlich erst einmal das Erreichen des Bachelor-Abschlusses. Danach werde ich möglicherweise noch einen Master anstreben. Meinen Schwerpunkt muss ich auch noch wählen, aber ich kann schon mal verraten, dass ich ein Interesse an Softwareentwicklung habe, insbesondere Videospielentwicklung. In meiner Freizeit arbeite ich bereits an eigenen Projekten.
Die Fragen hat Frau Otto schriftlich beantwortet.
* Anmerkungen der Redaktion
Das Gespräch führte Reik Möller