Seit einiger Zeit ist wieder Unterricht in Präsenz möglich. Was waren Ihre Eindrücke nach der Zeit auf Distanz?
Die große Freude vieler Jugendlicher, die nach der langen Zeit zum ersten Mal wieder bei uns waren, hat mich sehr bewegt. Das hatte ich in dieser Form ehrlich gesagt gar nicht erwartet. Das zeigt, wie wichtig nach der Zeit auf Distanz das soziale Lernen in Präsenz ist. Und gleichzeitig freut mich, dass die Jugendlichen unsere Arbeit so wertschätzen.
Die Angebote der FAW für Jugendliche waren vor der Pandemie zum größten Teil in Präsenz angelegt. Wie ist der Wechsel auf Distanz gelungen?
Erst einmal ging es darum, unsere Angebote möglichst schnell auf andere Weise fortführen zu können. Dafür mussten zunächst viele technische Hürden überwunden werden wie schlechte Datenverbindungen im ländlichen Raum, begrenzte Datenvolumina oder ungenügende Ausstattung. In vielen Fällen haben wir z.B. den Jugendlichen Laptops leihweise zur Verfügung gestellt. Meine Kolleg*innen haben für die Probleme immer kreative Lösungen gefunden, damit jede*r Teilnehmer*in mit uns in Kontakt bleiben kann.
Wie haben Sie die Arbeit auf Distanz mit den Jugendlichen erlebt?
Vor allem hat sich gezeigt, dass die Jugendlichen als Digital Natives zwar fast immer digitale Kompetenzen mitbringen, aber dass es wichtig ist, diese in Richtung Bildung und Beruf auszubauen. Fast alle haben Erfahrungen in Social Media und Gaming, aber die digitale Zusammenarbeit z.B. in Videokonferenz-Tools wie WebEx oder Jitsi war für fast alle neu. Dabei mussten wir die Jugendlichen unterstützen.
Sichtbar wurden in der Pandemie besonders die Unterschiede. Während das Lernen auf Distanz die Zusammenarbeit mit manchen Jugendlichen sogar noch verbessert hat, drohten manche abgehängt zu werden. Hier gibt es große Unterschiede nicht nur in der technischen Affinität, sondern auch in den kommunikativen Kompetenzen. Hinzu kommt, dass das Lernen auf Distanz in der Regel höhere Anforderungen an die Selbstorganisation stellt. Damit hatten einige unserer Teilnehmer*innen zu kämpfen und brauchten besondere Unterstützung.
Was wird nach Corona bleiben?
Viele Jugendliche werden gestärkt aus der Krise hervorgehen, weil sie wichtige digitale Kompetenzen aufgebaut haben, sowohl was technische Skills und Medienkompetenz angeht als auch die höheren Anforderungen in der Selbstorganisation. Gleichzeitig stellen wir aber deutlich fest, wie wichtig die soziale Komponente des Lernens ist. Viele haben die sozialen Kontakte sehr vermisst. Zur Vorbereitung auf das Arbeitsleben ist der Ausbau der sozialen Kompetenzen aber mindestens genauso wichtig wie die technischen und fachlichen Fähigkeiten. Da gibt es durch die Pandemie durchaus Nachholbedarf. Gleiches gilt auch für versäumte Lerninhalte in der Schule.
Bleiben wird, dass wir unsere Angebote weitgehend hybrid anlegen werden. In diese Richtung sind wir zwar schon vor der Corona-Krise gegangen, aber sie hat dies zweifellos beschleunigt. Kurz gesagt verbinden wir in Zukunft die Vorteile aus Präsenz- und Distanzlernen miteinander. Nicht nur, um effizient zusammenzuarbeiten, sondern um den unterschiedlichen Anforderungen und Lebenssituationen der Jugendlichen noch besser gerecht zu werden.
Interview: Michael Rabenstein, Stabsstelle Kommunikation